Die Kraftquellen des Schweizer Franken
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Die Kraftquellen des Schweizer Franken

Trotz schwacher Industrie und deutlich steigender Aktienmärkte zeigt der Schweizer Franken (CHF) bemerkenswerte Stärke – und das genau dann, wenn die Devisenexperten von Europas größten Banken längst mit einem stärkeren Euro gerechnet haben.

  • Warum trotzt der Franken den negativen Impulsen aus der heimischen Fertigung?
  • Weshalb gerade jetzt viele Investoren in den “sicheren Hafen” Schweiz flüchten.
  • Wie Zinspolitik und reale Renditen den CHF stützen.
  • Welche Rolle die Schweizer Nationalbank (SNB) dabei spielt.
  • Warum andere Wirtschaftssektoren den schwächelnden Industriesektor ausgleichen.

1. Schwache Schweizer Industrie – aber der Franken bleibt stark

Im April fiel der Einkaufsmanager‑Index (PMI) für das verarbeitende Gewerbe auf 45,8 (Werte unter 50 bedeuten Schrumpfung) – der tiefste Stand seit neun Monaten. Normalerweise schwächt das eine Währung. Der Franken hält sich aber trotzdem gut. Er wurde sogar einen halben Rappen auf 0,9330 per 1 Euro stärker, weil andere Faktoren wichtiger sind.

2. Flucht in sichere Anlagen

Trotz risikofreudiger Stimmung an den Aktienmärkten herrscht weiter Unsicherheit durch Handelskonflikte und politische Risiken. Das stärkt traditionelle “sichere Häfen” wie CHF und Gold. Anleger kaufen zudem Schweizer Vermögenswerte als Absicherung, da ein Waffenstillstand in der Ukraine zuletzt wieder in die Ferne gerückt ist.

3. Zinsunterschiede sprechen für den Franken

In den letzten 12 Monaten hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins von 1,50 % auf 0,25 % gesenkt. In der Euro‑Zone hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins seit Juni 2024 von 4,00 % auf 2,25 % reduziert.

Da das Ausmaß und Tempo der EZB-Senkungen größer ist, schwächt das den Euro gegenüber dem Franken. Dieser Effekt war von weiter Hand absehbar, die Wirkung auf den EUR/CHF-Kurs gut prognostizierbar.

Die realen Renditen (Zins minus Inflation) sind in der Schweiz weiterhin positiv (Inflation 0,3 % vs. 0,25 % Zins), während sie in der Euro‑Zone eher negativ ausfallen. Das macht CHF-Anlagen im Vergleich attraktiver.

4. SNB greift nur vorsichtig am Devisenmarkt ein

Die Schweizerische Nationalbank wird nicht plötzlich große Mengen Franken verkaufen, wodurch der EUR/CHF-Kurs plötzlich steil steigen würde. Sie interveniert, wenn überhaupt, nur sehr zurückhaltend.

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Dadurch wissen Anleger: Der Franken wird sich nicht plötzlich abschwächen, der EUR/CHF nicht hochschießen. Das sorgt für mehr Stabilität und geringe Volatilität im Wechselkurs und macht Schweizer Vermögenswerte interessant (siehe Punkt 2).

5. Andere Bereiche der Schweizer Wirtschaft laufen gut

Dienstleister, Tourismus und Finanzbranche kompensieren den Industrie‑Rückgang. Konsum und Arbeitsmarkt sind stabil, das stützt den Franken weiter.

Durch die deutlich gesunkenen Erdölpreise und der Aufwertung des Frankens zum US-Dollar sparen Schweizer Haushalte und Unternehmen an Treibstoffkosten.

Fazit

Der Schweizer Franken bleibt stark, weil mehrere Kraftquellen zusammenspielen:

Handelsspannungen und politische Unsicherheiten treiben Investoren in etablierte “sichere” Währungen wie den CHF, während das Zinsdifferential – ein SNB-Leitzins von 0,25 % bei positiver Realrendite gegenüber einem EZB-Leitzins von 2,25 % bei negativer Realrendite – Schweizer Anlagen attraktiv macht.

Die EZB hat noch 2% Platz bis zum Nullzins, die SNB lediglich ein Viertelprozentpunkt. Der Ausblick ist, dass die EZB in gleichbleibendem Tempo die Zinsen senkt, während die SNB nicht mehr viel machen kann. Das stärkt der Franken auf sechs- bis 12-Monatssicht.

Die zurückhaltenden Eingriffe der SNB am Devisenmarkt verhindern starke EUR/CHF-Ausschläge nach oben. Gleichzeitig kompensieren starke Dienstleistungs-, Tourismus- und Finanzsektoren die schwache Industrie.

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