Märkte meiden die Schweiz: Euro mit Vertrauensvorschuss
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Märkte meiden die Schweiz: Euro mit Vertrauensvorschuss

Das Rätsel ist gelöst: Der Euro bringt trotz Börsenturbulenzen 4% mehr auf die Waage als der Schweizer Franken. Eigentlich hätte es andersherum laufen müssen. Denn der Franken ist ja die Fluchtwährung schlechthin. Devisenhändler bezeichnen die Schweizer Währung inzwischen als "illiquides Biest". Institutionelle Anleger bevorzugen die von einen großen Währungsraum ausgestrahlte Sicherheit, sagt Österreichs Notenbankchef Nowotny. Dass im Euroraum eine neue Kreditblase entsteht, ist momentan unwichtig.

"Wir müssen den Franken wirklich in einem neuen Licht sehen", zitiert Bloomberg den leitenden Devisenstratege der UBS, Geoffrey Yu. Hintergrund ist der Anstieg des Euros von 1,0755 Franken Mitte Dezember 2015 auf 1,12 Franken Anfang Februar 2016 (+4,14%). Noch einen Schritt weiter geht man bei Pacific Investment Management - kurz Pimco. Der Status des Franken als sicherer Hafen gehört laut Thomas Kressin, Leiter Devisen bei Pimco, der Vergangenheit an.

Was steckt hinter dem Sinneswandel? Einen plausiblen Erklärungsansatz liefert der Vorsitzende der Österreichischen Nationalbank (OeNB), das dienstälteste EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny. Notenbanken und Staatsfonds, vor allem solche aus dem asiatischen Raum, seien derzeit bestrebt, möglichst viel Liquidität, also Cash, zu halten. Hintergrund sind die Probleme in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Es findet eine Umtauschaktion der Big Player zu Gunsten des Euros - und nicht zu Gunsten des Frankens statt.


Der Schweizer Währungsraum ist schlichtweg zu klein. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) würde sicherlich liebend gerne ein Ankaufprogramm von Anleihen nach dem Vorbild der EZB starten, um den Franken abzuschwächen. Jedoch ist der Markt für Schweizer Staatsanleihen viel zu klein. Hinzu kommt: Wegen der expansiven Geldpolitik der Notenbanken nach der Finanzkrise schwappen heute riesige Summen weltweit umher, die an einem großen Währungsgebiet, wie den Euroraum, nicht vorbei kommen.

"Offensichtlich sehen wir hier das durchaus interessante Phänomen, dass inzwischen der Euro zur Fluchtwährung geworden ist und nicht der Franken", sagt Nowotny im Gespräch mit "cash.ch". "Wegen der Unsicherheiten in den Emerging Markets und den damit verbundenen erheblichen Kapitalströmen ist unter dem Aspekt der Liquiditätssicherung und dem Aspekt der geringeren Kursvolatilität wahrscheinlich ein großer Währungsraum wie der Euro attraktiver als ein kleiner Währungsraum", schlussfolgert der Österreicher.

Einen Freifahrtschein für den Euro gibt es aber offensichtlich nicht. Die Rallye ist zuletzt ins Stocken gekommen. Momentan geht es für den Eurokurs in erster Linie darum, sich über 1,10 Franken zu halten. Die Fliehkräfte im Euroraum werden größer, wie das Fieberthermometer Target-2 zeigt. Viele Banken stehen auf wackligen Beinen. Wohl war ist, dass die Geldhäuser seit der Finanzkrise ihre Eigenkapitalpolster erhöht haben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sie bei der Kreditvergabe nicht so genau hinsehen.

Konsumentenkredite bereiten Anlass zur Sorge. In Spanien wurden im Januar 17,4% mehr Neuwagen zugelassen als im Vorjahresmonat. In Italien gab es einen Anstieg um 12,1%. Da heutzutage die große Mehrheit der Autokäufe von Banken finanziert werden, kann sich da etwas zusammenbrauen. Denn die Löhne steigen in beiden Ländern kaum. Die Arbeitsmärkte sind nach wie vor dermaßen verkrustet, dass einstellige Arbeitslosenraten ein Ding der Unmöglichkeit sind.

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