Seit Jahrzehnten liegen die EUR/CHF-Prognosen deutscher und österreichischer Banken systematisch zu hoch. Dies ist nicht nur das Ergebnis analytischer Fehleinschätzungen, sondern auch Ausdruck institutioneller und psychologischer Motive, die eng mit ihrer Rolle im Finanzsystem verknüpft sind.

Deutsche und österreichische Banken prognostizieren regelmäßig einen stärkeren Euro gegenüber dem Schweizer Franken, als es die Marktrealität zeigt. Diese Tendenz hat tiefere Ursachen:
1. Vermeidung von Safe-Haven-Narrativen
Die Stärke des Schweizer Frankens ist oft ein Zeichen für steigende Risikoaversion an den Märkten. Wenn geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Unsicherheiten oder Finanzkrisen auftreten, gilt der Franken als "sicherer Hafen".
Eine Prognose, die eine weitere Franken-Aufwertung vorhersagt, würde auf höhere Unsicherheit oder Instabilität hinweisen. Für Banken bedeutet dies:
- Das Vertrauen in die Eurozone könnte untergraben werden.
- Die Stabilität des Finanzsystems könnte in Frage gestellt werden.
- Das Vertrauen in den Euro, der in Krisenzeiten ohnehin anfällig ist, würde weiter erodieren.
2. Institutionelle Parteinahme für den Euro
Ein starker Franken bedeutet meist einen schwachen Euro. Banken in Deutschland und Österreich sind jedoch auf die Stabilität des Euro angewiesen, da sie:
- Eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Eurozone verbunden sind.
- Ein beträchtliches Engagement in Staatsanleihen der Eurozone haben, deren Bewertungen unter einem schwachen Euro leiden könnten.
- Die Stabilität des Euro als Reservewährung stärken möchten.
Indem sie systematisch eine zu hohe EUR/CHF-Prognose abgeben, senden diese Banken eine Botschaft der Stabilität, auch wenn sie von der Marktrealität abweicht.
3. Wahrnehmungsmanagement
Eine Prognose, die einen schwachen Euro und einen starken Franken vorsieht, könnte Zweifel an der Finanzstabilität signalisieren. Dies hätte direkte Folgen für die Banken selbst, da:
- Ihre eigene Stabilität in Krisenzeiten hinterfragt werden könnte.
- Spekulationen gegen den Euro gefördert und die Marktvolatilität erhöht würden.
- Ihre Fähigkeit zur Risikoanalyse öffentlich in Zweifel gezogen werden könnte.
Stattdessen bevorzugen die Banken optimistische Prognosen, um das Vertrauen in die Eurozone zu stärken.
4. Vergangenheit und Wunschdenken
Die Stärke des Franken über Jahrzehnte hinweg hat viele Prognosen widerlegt, die auf Fundamentaldaten wie der Kaufkraftparität basierten. Trotz dieser Erfahrungen halten die Banken an der Erwartung eines schwächeren Frankens fest. Dies spiegelt teils auch Wunschdenken wider, das auf die Hoffnung auf:
- Eine Normalisierung der EUR/CHF-Dynamik.
- Rückläufige Safe-Haven-Flüsse in die Schweiz.
- Eine wirtschaftliche Annäherung zwischen der Eurozone und der Schweiz.
5. Auswirkungen auf Stakeholder
Diese optimistischen Prognosen sind nicht nur Fehleinschätzungen, sondern dienen strategischen Zielen:
- Investoren und Unternehmen sollen Vertrauen in die Wirtschaft der Eurozone behalten.
- Regulatoren und Politiker interpretieren diese Prognosen als Zeichen von Stabilität.
- Öffentliche Meinung bleibt von möglichen Sorgen um den Euro abgeschirmt.
Fazit
Die systematische Voreingenommenheit deutscher und österreichischer Banken bei EUR/CHF-Prognosen ist das Ergebnis strategischer Überlegungen, institutioneller Interessen und des Wunsches, Vertrauen in die Eurozone auszustrahlen. Auch wenn den Banken die fundamentale Stärke des Schweizer Frankens bewusst ist, scheuen sie sich davor, diese offen anzuerkennen, um Signale zu vermeiden, die ihre Rolle als Stabilisatoren des Finanzsystems gefährden könnten. Daher dominieren seit Jahrzehnten Prognosen, die den Euro begünstigen – unabhängig von der Realität der Märkte.
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