Finanzsystem vor dem nächsten Kollaps
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Finanzsystem vor dem nächsten Kollaps

Vor drei Monaten stand das Finanzsystem vor dem Kollaps: Börsencrash und ausgetrocknete Anleihenmärkte prägten das Bild. Am Devisenmarkt lautete das Motto: Raus aus dem Euro, raus aus riskanten Rohstoffwährungen. Rein in den Schweizer Franken, rein in den US-Dollar. Ist nun alles wieder in Ordnung?

"Die Börse macht sich etwas vor", sagt US-Ökonom Nouriel Roubini dem Magazin "Spiegel". Der Aktienindex Dow Jones kletterte zwischen Ende März und Anfang Juni 2020 um 48%. Der Dax schaffte 52%, Österreichs ATX 54%. Im Vergleich dazu fällt der 25-prozentige Anstieg des SMI mager aus. Allerdings war der Schweizer Blue-Chip-Index nicht so sehr eingebrochen wie die anderen.

Mit Blick auf den V-förmigen Bounce an den Börsen räumt Allianz-Chefberater Mohamed El-Erian ein: Er habe das so nicht kommen sehen und seine Aktien zu früh verkauft. Die fundamentale Seite zeige aber, dass der Markt zu weit in die Zukunft blicke. Er fühle sich unwohl etwas zu kaufen und darauf zu hoffen, dass ihn jemand im Ernstfall schon retten wird, erläutert El-Erian im "Handelsblatt".

Die Zentralbanker pumpen unvermindert Billionen in die Finanzmärkte. "Die (Notenbanker) sind verrückt. Sie kümmern sich nicht um die Zukunft der Kinder", sagt Börsenguru Jim Rogers. Europa falle auseinander. Einzelne EU-Staaten seien in einem schrecklichen Zustand. Mit Blick auf den Devisenmarkt stellt er fest:

"Der Schweizer Franken geht ab wie eine Wachstumsaktie. Der Dollar bleibt überteuert und steuert auf eine Preisblase zu."

Die Zäsur kam nicht mit der Finanzkrise 2008. Tatsächlich sollte es noch sieben Jahre dauern, bis Notenbanken die bedingungslose Rettungspolitik installierten. Mit Chinas Währungsbwertung im Sommer 2015 und einem deutlichen Abverkauf der Börsen ging alles los. Seitdem dominiert, was US-Bondkönig Jeffrey Gundlach so beschreibt:

"Help me out everytime it drops 2 percent."

Sinken die Kurse an der Wall Street zu sehr, kommt die US-Notenbank (Fed) und wirft ihre Notenpresse an. Hintergrund: Neben der gesetzlichen Rente sparen die Amerikaner vor allem über die Börse. Wenn Aktien über einen längeren Zeitraum fallen, müssen viele länger arbeiten, weil es sich mit der Altersvorsorge nicht ausgeht. Entsprechend sinkt dann auch die Konsumstimmung. Das kann sich die US-Wirtschaft nicht leisten.

In den letzten Handelstagen gab es vermehrt Minuszeichen an der Wall Street. Heute Nacht teilte die Fed dann per Eilmeldung mit, ihre Anleihenkäufe um 750 Milliarden US-Dollar auszuweiten. Und schon geht es mit Dow Jones und Co. wieder nach oben. Die Risikowelle erreicht auch den Euro-Franken-Kurs. Er klettert in einer schnellen Bewegung von 1,0670 auf 1,0760.

Die Europäische Zentralbank (EZB) ihre schützende Hand schon lange über Staatsanleihen und Unternehmensanleihen gelegt. Das Hauptaugenmerk der EZB besteht darin, Zombieunternehmen, Zombiebanken und hochverschuldete Euroländer wie Italien über die Runden zu retten.

🔗 Europa auf dem Weg in die staatliche Zombiewirtschaft (Manager Magazin, 13.06.2020)

Dass die Notenbanker den Börsianern stets mit Rettungspaketen zur Seite springen, hat seine Spuren hinterlassen. Im S&P 500 Aktienindex sieht man sie besonders gut.

Linienchart S&P 500 Aktienindex Entwicklung 2008-2020: Die Kursausschläge werden immer extremer

Von 2009 bis 2015 lief alles recht geordnet. Die Kurse stiegen wegen der Post-Finanzkrisen-Erholung. Es gab immer wieder Korrekturen, z. B. wegen der Euro-Schuldenkrise 2011. Notenbanker machten aber keine Anstalten Aktienbesitzer und Anleihengläubiger rauszuhauen.

Herdplatte oder Gefrierfach


Mitte 2015/Anfang 2016 dann die Zäsur: Die damalige Fed-Chefin Janet Yellen und EZB-Präsident Mario Draghi wechseln zu "Help me out everytime it drops 2 percent." Und seitdem gibt es immer stärkere Kursüberhitzungen. Die darauf folgenden Crashs werden von Jahr zu Jahr gewaltiger.

Ende 2018 hatten wir einen historischen Börsencrash, weil Fed-Chef Jerome Powell die Geldpolitik leicht straffte. Eine Idee, die er umgehend über Bord warf. 2019 begann die Fed erneut die Geldpolitik massiv zu lockern und die Zinsen zu senken. Der S&P 500 lief bis Mitte Februar 2020 auf ein Rekordhoch.

Dann kam die Corona-Krise: Der Absturz an den Aktienmärkten war noch einmal größer als 2018. Das galt als unvorstellbar. Auch nun wieder sagen die meisten Marktteilnehmer: Ein Crash wie während der Corona-Krise werde es ganz sicher nicht mehr geben.

Doch tatsächlich läuft es unweigerlich auf den nächsten historischen Crash hinaus. Und der wird gewaltiger sein als der Corona-Crash. Wir sind in einem System der völligen Übertreibungen gefangen. Man hat nur noch die Wahl seine Hand auf eine Herdplatte oder in ein Gefrierfach zu legen.