Schweiz spielt im Notenbank-Orchester zweite Geige
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Schweiz spielt im Notenbank-Orchester zweite Geige

Der Euro-Franken-Kurs schrammt ein weiteres Mal hauchdünn an der Marke bei 1,05 vorbei. Hintergrund ist die Furcht einer langwierigen weltweiten Rezession. Dies würde zu einer anhaltend hohen Nachfrage für Europas Top-Sicheren-Hafen, dem Schweizer Franken, führen.

"Ich glaube nicht, dass die SNB bald das Handtuch werfen wird", zitiert Bloomberg den Devisenexperten Jeremy Stretch von der Canadian Imperial Bank of Commerce. "Es scheint, dass 1,05 so etwas wie eine Linie im Sand ist."

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gibt mit dem Franken eine der wichtigsten Währungen der Welt aus. Sie kann aber nicht das machen, was die anderen Hautpwährungs-Länder USA, Eurozone, Japan und Großbritannien machen:

Massenhaft heimische Staatsanleihen aufkaufen, um Corona-Konjunkturprogramme zu finanzieren. Die Staatsschulden in der Schweiz lagen vor der Corona-Pandemie bei 40% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und werden nach ihr auf etwa 55-60% gestiegen sein.

In Japan sind die Staatsschulden fünfmal so hoch, in den USA, Eurozone und Großbritannien etwa dreimal so hoch. In diesen Hauptwährungs-Ländern braucht es eine Staatsfinanzierung per Notenpresse, um die corona-bedingten Ausgabenprogramme zu niedrigen Zinsen zu finanzieren.

Weil alle anderen ihre Notenpressen anschmeißen, will die Schweiz das offenbar auch tun. Und so druckt sie Franken und kauft mit ihnen am Devisenmarkt Euros. Das von ihr erworbene Euro-Cash steckt sie dann hauptsächlich in deutsche und französische Staatsanleihen und Aktien (20%).

Dieser Ansatz sei nicht nachhaltig und so werde die SNB in den nächsten Monaten damit aufhören, den Euro über 1,05 Franken zu halten. Das prognostiziert der Ökonom Michael Cahill von Goldman Sachs. Anleger sollten laut Cahill mit einem Absinken des Euros auf 1,02 Franken bis August 2020 rechnen.

Allokation der SNB-Devisenreserven nach Anlageklassen (Aktien, Anleihen) per 31.03.2020 dargestellt durch Ringdiagramm


Die SNB muss eine ständige Abwägung der Risiken vornehmen: Aktien sind natürlich immer riskant, wie der Corona-Crash gezeigt hat. Aber auch mit Euro-Anleihen läuft sie Gefahr einen dicken Verlust zu machen. Den müssten dann die Schweizer Steuerzahler tragen.

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Die Inflation dürfte bald deutlich anziehen, prognostiziert Pascal Blanqué, Chefanlagestratege beim französischen Vermögensverwalter Amundi. Die aktuelle Lage sei mit den 1970er Jahren vergleichbar. Auch damals reizten Notenbanken und Regierungen ihre Möglichkeiten zum Ankurbeln der Wirtschaft voll aus.

Mehr Inflation bedeutet sinkende Anleihenkurse und damit dicke Verluste für die SNB. Die SNB ist verpflichtet, aufgelaufene Verluste jedes Quartal auszuweisen. Sie kann also nicht sagen: "Ich habe hier eine 10-jährige Bundesanleihe, die am Ende der Laufzeit vom deutschen Staat voll zurückgezahlt wird. Was in der Zwischenzeit mit deren Wertentwicklung passiert, interessiert mich nicht."

Die SNB muss daher ständig abwägen: "Kaufe ich weniger Euro-Anleihen und Aktien, dann wächst mein Euro-Klumpenrisiko nicht weiter. Ich muss dafür aber den Euro-Franken-Kurs runterlassen und schade womöglich der Schweizer Wirtschaft."

Eine aktuelle UBS-Umfrage zeigt, dass sich die Schweizer Unternehmen mit dem starken Franken arrangieren: "Für 57 Prozent der befragten Unternehmen ist der EURCHF-Wechselkurs nicht maßgebend dafür, ob das Unternehmen in die Verlustzone gerät, für 77 Prozent ist ein Arbeitsplatzabbau unabhängig vom EURCHF-Wechselkurs."

Vor diesem Hintergrund muss man damit rechnen, dass eine bei 1,05 verlaufende Linie im Sand früher oder später durchkreuzt wird. Die SNB wird den Euro-Franken-Kurs nicht dauerhaft über diesem Niveau halten wollen.