Frankenfreundliche Krisenstimmung setzt sich fest
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Frankenfreundliche Krisenstimmung setzt sich fest

Der Euro startet in die Woche der Wahrheit bei knapp 1,10 Franken. In den kommenden Tagen entscheidet sich die Brexit-Frage. An den Finanzmärkten gibt es nicht wenige, die hoffen, dass das Ganze trotz der jüngsten Annäherung noch scheitert. Dann müssten Euroländer mit Konjunkturprogrammen auf Pump gegensteuern. Indes kehrt die US-Notenbank (Fed) überraschend in den Krisenmodus zurück. Der Schweizer Franken dürfte von ihrem plötzlichen Schwenk zu einem massiven Kaufprogramm von US-Staatsanleihen profitieren.

Das britische Parlament wird in dieser Woche wegen des anstehenden EU-Gipfels zu einer Dringlichkeitssitzung an einem Samstag zusammenkommen. Es ist das erste Mal seit dem Ausbruch des Falkland-Kriegs 1982. Er könne nicht einschätzen, ob ein harter Brexit auf dem EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober abgewendet werde, sagt der scheidende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sinngemäß der österreichischen Zeitung "Kurier".

Gut vorstellbar, dass der britische Premier Johnson einen Deal platzen lässt. Johnson hatte als Brexiteer vor der Volksabstimmung gegen die EU Stimmung gemacht. Viele Argumente der Brexiteers seien Lügen gewesen. Die EU-Kommission hätte da mehr tun müssen, wirft sich Juncker vor. Was Lügen und Falschdarstellungen angeht, wich Johnson auch als Regierungschef keinen Millimeter von seinem Kurs ab. In der letzten Woche stach er ein vertrauliches Telefongespräch mit Kanzlerin Merkel an die Presse durch und verdrehte darin laut vielen Experten die Fakten.

Bei einem harten Brexit geriete die ohnehin schon schwache Konjunktur in der Eurozone weiter unter Druck. Der Euro-Franken-Kurs hätte Abwärtspotenzial auf mindestens 1,08. Die von europäischen Börsianern so sehnsüchtig erwarteten Konjunkturprogramme auf Pump kämen wegen der brexitbedingten Wachstumsverlangsamung früher als erwartet. Für die Regierungen mit ihren angeschlossenen Notenbanken wird es allerdings immer schwerer, Rezessionen auf der Zeitachse nach hinten zu verschieben.

Krisenmodus


Die US-Notenbank (Fed) hat gerade ein massives Anleihenkaufprogramm aus dem Ärmel gezaubert. Sie erwirbt nun jeden Monat für 60 Milliarden US-Dollar Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit. Vor einigen Wochen gab es turbulente Szenen auf dem US-Geldmarkt, wo sich Banken untereinander Cash ausborgen. Der entsprechende Zins schoss von 2% auf 10% nach oben. Erinnerungen an die große Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren wurden wach.

Bei den geplanten Anleihekäufen handele es sich nicht um kein neues QE-Programm, sagt Fed-Chef Powell. Die Ankäufe seien "lediglich technischer" Natur. Viele Ökonomen widersprechen. Sie sagen: "Wenn eine Zentralbank Geld druckt, damit Staatsanleihen kauft und ihre Bilanz aufbläht, dann ist das sehr wohl QE." Mit Blick auf den Devisenmarkt kann das Ergebnis eigentlich nur sein, dass sich der US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken in den kommenden Monaten abschwächt.

Weil die Fed durch weitere Leitzinssenkungen den Finanzmärkten telegraphieren wird, dass sie dunkle Wolken am Horizont aufziehen sieht, dürften die Sicheren-Hafen-Qualitäten des Schweizer Frankens auch 2020 zum tragen kommen. Der Euro hat diese Qualitäten nicht. Das ist ein weiterer Grund, warum es die Gemeinschaftswährung schwer haben wird, substanziell zuzulegen. Es gibt keine Konstellation, die einen nachhaltigen Anstieg des Euro-Franken-Kurses verspricht.

Kommt ein weicher Brexit, ist nur ein kurzer Anstieg des Euros auf 1,12-1,15 Franken denkbar, bevor der Krisenmodus und die Suche von Anlegern nach dem Franken wieder einsetzt. Bei einem harten Brexit ginge es wohl auf 1,06-1,08 herunter. Konjunkturprogramme auf Pump könnten den Euro zwar etwas heben. Weil die EZB die zusätzlichen Schulden der Euroländer monetarisiert, wäre aber mehr als 1,10-1,12 Franken nicht drin. Die EZB verhält sich exakt so wie die italienische Notenbank vor der Euro-Einführung. Die gab den Regierungen stets Kredite. Das Ergebnis war ein wachsweiche Lira.

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