Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen
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Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

Durch den dynamischen Anstieg der letzten zwei Wochen hat sich der EUR/CHF-Kurs ein Polster verschafft. Ein gefestigter Ausblick, wo er Jahresmitte und Jahresende steht, lässt sich aktuell nicht anfertigen. Dafür ändert sich die Gemengelage zu oft. Machbar ist es hingegen eine Prognose auf mehrere Jahre zu treffen. Hier ist die Richtung vorgezeichnet.

Es ging drunter und drüber in den letzten Wochen:
  • Ende März bricht der EUR/CHF-Kurs aus einer Dreiecks-Formation Richtung Süden aus. Das wars dann für den Euro, dachte man, zumal er eine wichtige Unterstützung bei 1,1170-1,1180 reißt und auf ein 20-Monatstief bei 1,1160 absackt.
  • Doch die Bären, also jene Marktteilnehmer, die den EUR/CHF-Kurs möglichst tief sehen wollen, freuen sich zu früh. Pünktlich zum Beginn des zweiten Quartals setzt eine Gegenbewegung ein.
  • Der EUR/CHF-Kurs notiert aktuell bei 1,1330. Die Abwärtsrisiken sind gebannt, und so ist Platz bis auf 1,14 weiterzusteigen. Danach heißt es wieder einmal: Quo vadis?

Anders sieht es in der langen Sicht aus. Hier geht es Richtung Süden. Der Euro und seine Vorgängerwährungen haben sich seit dem Abschied vom Goldstandard durch US-Präsident Nixon gegenüber dem Schweizer Franken abgeschwächt. Das hängt mit der Inflation zusammen. Sie ist in der Schweiz stets tiefer als in der Eurozone, was dazu führt, dass der Euro jedes Jahr im Mittel etwa 1,5% einbüßt.



Das Verhältnis zwischen kurzfristigen und langfristigen Wechselkursbewegungen lässt mit einem Hund und seinem Herrchen/Frauchen verbildlichen, die auf einem Marathon-Spaziergang von Berlin nach Wien sind. Der Hundebesitzer hat sich für diesen Marathon-Spaziergang Richtung Süden eine zehn Meter lange Leine besorgt.

Es ist sehr schwer vorhersehbar, wohin der angeleinte Hund in den nächsten Minuten läuft. Er könnte eine Katze sehen und schneller Richtung Süden drängen. Oder aber ihn zieht es zurück zu seinem Besitzer, weil er hungrig ist und etwas zu fressen will. Möglich ist auch, dass er seitwärts auf eine Wiese läuft.

Banken und Devisen-Auguren schauen die ganze Zeit nur auf den Hund. Sie meinen prognostizieren zu können, ob der Hund im nächsten Moment stärker an der Leine zieht oder die Nähe zu seinem Besitzer sucht. Die meisten Devisenexperten lassen dabei völlig außer Acht, dass sich der Hundebesitzer mit einer Gehgeschwindigkeit von 6 Kilometer per Stunde Richtung Süden bewegt.

Den großen Verwurf, den man Österreichs Banken beim Ausreichen von Franken-Krediten machen muss, ist folgender: Sie haben den langfristigen Abwärtstrend des EUR/CHF-Kurses nicht gesehen oder einfach ignoriert. Wobei sich darüber streiten lässt, was schlimmer ist. Selbst als der Euro im Herbst 2007 auf 1,68 Franken stieg, war die langfristige Abwärtsbewegung noch im Gang.

Weiterlesen:
EUR/CHF-Ausblick 2020-2030