Keine klare Kante: EUR/CHF sieht von Anstieg auf 1,10 ab
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Keine klare Kante: EUR/CHF sieht von Anstieg auf 1,10 ab

Könnte der Euro gegen den Franken so kräftig zulegen wie gegen Dollar, Yen und Pfund, der EUR/CHF-Kurs wäre längst über 1,10. So bleibt die Devisennotierung bei 1,09 hängen. Anleger tauschen ihre Schweizer Franken nur sehr wiederwillig gegen Euros ein.

Die EZB veranstaltet gerade ein mehrtägige Notenbanksitzung im portugiesischen Sintra. Draghi wertet das Treffen, ein Pendant zum Symposium der US-Notenbank in Jackson Hole, mit hawkischen Bemerkungen zur Konjunktur und der Geldpolitik auf. Der EUR/USD-Kurs klettert daraufhin auf 1,1350 (10-Monatshoch).

Draghis Imagewandel

Neben Draghi besuchen die Notenbankchefs von Japan, Großbritannien, Kanada die EZB-Veranstaltung. Fed-Chefin Janet Yellen bleibt jedoch fern. Sie zieht einen Gastauftritt in London vor. Das kann man als einen Affront gegen die EZB auffassen. Frau Yellen möchte sich mit dieser Aktion möglicherweise bei Donald Trump für eine zweite Amtszeit empfehlen.

Es gebe zwar immer noch Faktoren, die auf die Inflation drücken würden. "Gegenwärtig sind das vor allem temporäre Faktoren, durch die eine Zentralbank typischerweise hindurchschauen kann." Mit diesen ungewöhnlich hawkischen Kommentaren macht Draghi dem Euro Beine. Dass der Italiener durch deflationäre Tendenzen hindurchschauen möchte, ist wirklich eine Neuigkeit.

Dass Draghi das Image eines bedingungslosen Weichwährungspolitikers abstreifen möchte, darauf deuteten schon seine Einlassungen letzte Woche auf dem EU-Gipfel hin. Dort hat er den 28 Staats- und Regierungschefs laut einer Reuters-Meldung gesagt, dass er in den kommenden Monaten mit einem stärkeren Wachstum der Löhne rechne.

Integritätsproblem

Die Gewinne des Euro zum Franken fallen gedämpft aus. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass Draghi nicht das Glaubwürdigkeits-Format seines Vorgängers besitzt. Hätte Jean-Claude Trichet die hawkischen Bemerkungen getätigt, würden Anleger das für bare Münze nehmen, sich auch aus dem sicheren Hafen Schweizer Franken verabschieden, und den EUR/CHF-Kurs über 1,10 hochkaufen.

Draghi hat - anders als Trichet - nicht das Format die 340 Millionen Bürger, die täglich mit dem Euro bezahlen, direkt anzusprechen. Wenn Trichet etwas sagte, dann galt es. Bei Draghi ist oft das Gegenteil der Fall:
  • Der Italiener ließ sich zu Beginn seiner Amtszeit von der "Bild"-Zeitung eine preußische Pickelhaube aufsetzen.
  • Damit signalisierte er, dass er die deutschen Haushalte, die auf Guthabenzinsen sehr viel stärker angewiesen sind als die zumeist mit Immobilienbesitz abgesicherten italienischen Haushalte, nicht im Stich lassen werde.
  • Dann machte der EZB-Chef genau das Gegenteil, indem er die Zinsen abschaffte und Negativzinsen einführte.