Gründe für einen stärkeren Franken nehmen Überhand
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Gründe für einen stärkeren Franken nehmen Überhand

Der Rubel rollt: US-Tech-Aktien, von denen die Schweizer Notenbank raue Mengen kauft, gehen weg wie warme Semmel. Dax und Euro Stoxx 50 legen ordentlich zu. Sie bleiben aber von einem Allzeithoch, wie es der Nasdaq 100 erreicht, meilenweit entfernt. Beim EUR/CHF-Kurs harzt es nicht zuletzt wegen dieser Kluft. Er schwenkt auf eine Abwärtsbewegung ein. Der Anstieg des Euros zu Monatsbeginn auf 1,1001 Franken entpuppt sich als Eintagsfliege. Die Märkte lechzen nach Zentralbankgeld. Um das zu bekommen, müssen sie EUR/CHF auf 1,07-1,08 abverkaufen.

Das Aktienportfolio der Schweizerischen Nationalbank (SNB) umfasst mittlerweile 127 Milliarden Franken (117 Mrd. Euro). Das entspricht 20% der zur Abschwächung des Frankens auf über 600 Milliarden Franken aufgeblähten Devisenreserven. Etwa 65 Milliarden Franken hat die Nationalbank in US-Aktien von Facebook, Apple und Co. investiert. "Das macht für die SNB Sinn, und ich könnte mir vorstellen, dass sie ihren Aktienanteil noch weiter ausbauen", sagt Raiffeisen-Analyst Alexander Koch laut einer Reuters-Agenturmeldung.

"Der Bondmarkt trocknet aus, also wenden sie sich verstärkt den Aktien zu", so Koch. Längst kann der SNB-Wal nicht mehr so ungestört Staatsanleihen aus Deutschland und Frankreich aufnehmen, wie noch vor einigen Jahren. Inzwischen konkurriert man mit Mario Draghis Truppe. Der Italiener hat auf der letzten EZB-Pressekonferenz das sich abzeichnende Knappheitsproblem aufkaufbarer Staatsanleihen erstmals eingestanden. Es wurde ein Arbeitskreis eingerichtet, der den Oberen der EZB in den nächsten Wochen Vorschläge präsentieren soll, wie man aus der Misere rauskommt.

So lautet zumindest die offizielle Version. Draghi dürfte längst einen Plan im Hinterkopf haben. Viele rechnen damit, dass die EZB in den Ankauf von Aktien einsteigt, um die monatlichen Käufe von Wertpapieren bei 80 Milliarden Euro halten zu können. Aus der Sicht der Euro-Währungshüter ist es ungerechtfertigt, dass US-Aktien so viel teurer sind als europäische, zumal das Wirtschaftswachstum in der Eurozone in den letzten zwölf Monaten bei 1,6% lag, das in der USA aber nur bei 1,2%. Diese Marktstörung wollen die Interventionisten, die mit der Bundesbank gerade einen neuen Anhänger für sich gewonnen haben, mit dem Einspeisen von Zentralbankgeld unterbinden.

Bundesbank eingesüdet

Die Annahmen der Bundesbank über die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Vermögenssituation seien teilweise "unplausibel", kritisiert der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise. Die Deutsche Bundesbank hatte zuvor Mario Draghi in ihrem Monatsbericht zur Überraschung vieler verteidigt. Die ultralockere Geldpolitik der EZB mache keineswegs die Armen ärmer und die Reichen reicher, erklärte die Notenbank. Die "locker werdenden" deutschen Währungshüter sind ein weiteres Indiz dafür, dass die EZB demnächst ihr Wertpapierkaufprogramm über März 2017 hinaus deutlich verlängern wird.

Bundesbankchef Jens Weidmann, ein früherer Berater von Angela Merkel, widmet sich derzeit lieber politischen Themen. Er fordert die italienische Regierung auf, ihre Staatsschulden zu senken. Italiens Ministerpräsident Renzi faucht darauf hin zurück, dass sich Weidmann doch lieber um die deutschen Banken (gemeint war die Deutsche Bank), die hunderte von Milliarden Euro an Derivaterisiken in den Büchern hätten, kümmern solle.

Steigende Aktienmärkte und eine steigender EUR/CHF-Kurs sind zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen. Die Lage stellt sich im Herbst wie folgt da: Der Euro muss auf 1,07-1,08 Franken fallen, um die Schweizer Notenbank zu Euro-Stützungskäufen zu zwingen, die sie dann wiederum im Aktienmarkt recycelt. So kann das Hamsterrad an den Börsen weiterlaufen, bis die EZB das Börsenparkett betritt.

Die Recyclingquote der SNB steigt stetig. 2010 lag ihr Aktienanteil noch bei 10%, 2015 waren es 17%. Inzwischen sind es 20%, bald könnten es 25% sein. Die Devisenreserven kletterten zuletzt auf ein Rekordhoch von 627 Milliarden Franken, nachdem die SNB im 2. Quartal 2016 zur Schwächung des Frankens so viel Geld ausgab wie seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses nicht.