Protokoll der Achterbahnfahrt eines Franken-Kreditnehmers
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Protokoll der Achterbahnfahrt eines Franken-Kreditnehmers

Ein typischer Franken-Kreditnehmer in Österreich verschuldet sich im Jahr 2002 im Gegenwert von 150.000 Euro in Schweizer Franken. Der Euro-Franken-Kurs liegt bei 1,45. Lange Zeit sieht es nach einem Glücksgriff aus. Neben einer erheblichen Zinsersparnis gegenüber einer Euro-Finanzierung sprudeln Wechselkursgewinne. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise dreht sich alles um 180 Grad.

Im Oktober 2007 klettert der Euro-Franken-Kurs auf ein Allzeithoch bei 1,68. Die Kreditschuld des Darlehens verringert sich aufgrund der vorteilhaften Wechselkursentwicklung von 150.000 Euro auf knapp 130.000 Euro. Hinzu kommt eine aufgehäufte Zinsersparnis gegenüber einer Euro-Finanzierung von 10.000 Euro. Unter dem Strich verdient der Kreditnehmer 30.000 Euro.

Mit dem Ausbruch der Finanzkrise und der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ändert sich alles schlagartig. Der als sichere Hafen wahrgenommene Schweizer Franken bekommt mit der Euro-Schuldenkrise noch mehr Rückenwind. Der Eurokurs bricht bis August 2011 auf 1,01 Franken ein. Die Kreditschuld schiesst auf 215.000 Euro hoch. Abzüglich der inzwischen auf 18.000 Euro angewachsenen Zinsersparnis steht der Kreditnehmer plötzlich mit 47.000 Euro unter Wasser.


Es folgt die Einführung des Euro-Mindestkurses bei 1,20 Franken und ein bis Mai 2013 auf 1,2650 steigender Euro-Franken-Kurs. Die Kreditschuld sinkt auf 172.000 Euro. Abzüglich der Zinsersparnis von 22.000 Euro liegt der Franken-Kreditnehmer bei Plus-Minus-Null. Es ist ein sehr guter Zeitpunkt den Franken-Kredit in einen festverzinslichen Euro-Abstattungskredit zu konvertieren.

Rund 40 Prozent seien auch in den Euro zurückgekehrt, berichtet Erste-Bank-Sprecherin Karin Berger im Gespräch mit "Die Presse". "Und sind gut damit gefahren."

Im Januar 2015 zieht die Schweizerische Nationalbank (SNB) den verbliebenen Franken-Kreditnehmern den Boden unter den Füßen weg. Sie hebt den Mindestkurs aus heiterem Himmel auf, woraufhin der Euro-Franken-Kurs bis auf 0,86 Euro einbricht. Die Kreditschuld schwillt auf 253.000 Euro an. Abzüglich der Zinsersparnis steht der Kreditnehmer mit 79.000 Euro in der Kreide.

Es folgt eine Stabilisierung des Euro-Franken-Kurses bei 1,06. Damit bleibt eine Kreditschuld von 205.000 Euro und ein Fehlbetrag nach Abzug der Zinsersparnis von 31.000 Euro. Wegen negativer Zinsen reicht inzwischen ein Anstieg des Euro-Franken-Kurses auf 1,18, und der Franken-Kreditnehmer wäre wieder bei Plus-Minus-Null wie im Mai 2013 oder bei der Kreditaufnahme im Jahr 2002.

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